Sonntag, 30. März 2008
Über Schule hinaus denken
Wir haben hier im schönen Siegburg zur Zeit eine Diskussion, die andere Städte und Gemeinden sicherlich auch kennen: Es soll eine Gesamtschule eingerichtet werden und diese wird auf Kosten der bestehenden Schulen gehen müssen. Da gehen die Wogen hoch und sogar eine Demonstration war zu verzeichnen. Die Schulen stellten sich auf einer öffentlichen Schulausschußsitzung vor und priesen Ihre Konzepte. Mit diesem Beitrag möchte ich einmal etwas über die lokalen Gegebenheiten hinaus Grundlegendes andenken. Dies soll deutlich machen, daß Rahmenbedingungen Entscheidungsprozesse und sogar Diskussionen kanalisieren. Und erst wenn man einmal über den Zaun blickt, mag klar werden, daß es noch ganz andere Möglichkeiten gibt, wenn man erst einmal zu den Wurzeln der Probleme durchdringt, die das staatliche Bildungswesen, ob seiner Beschränktheit, niemals lösen wird.
Da, wo eine Sache als Gemeine, als Öffentliche organisiert ist, da ist es doch immer dasselbe: es wird diskutiert und es gibt Streit. Natürlich kann man dies durch ein Machtwort oder ein Diktat ersetzen, um dies zu vermeiden. Es geht aber auch noch anders: Hätten wir auch für 6 bis 16-Jährige einen freien Bildungsmarkt und hätten wir ein freies Schulwesen, in dem Schulen und Schulalternativen frei gegründet und gewählt werden könnten, wäre - wie in anderen privat befriedeten Lebensbereichen auch - viel Streit vermeidbar und allen wie auch den Einzelnen wäre besser gedient.
Zeit für Eigenitiative?
Ein Staat, ob demokratisch oder nicht, der den Anspruch hat, seine Bürger zu bilden, wird immer fehl gehen. Die Bürger bilden den Staat und dazu ist zunächst notwendig, daß sich die Bürger frei bilden können und nicht behördliche Curriculae gewaltsam durchgesetzt werden und sogar Zeitpunkt und Aufenthalt zum Gebildetwerden vorgeschrieben sind. In diesem Sinne ist eine bloße Wissensvermittlung unschädlicher als der Anspruch, junge Menschen umfassend zu bilden. Schule ist ein gutes Mittel zur Wissensvermittlung, aber erwiesenermaßen nicht das einzige. Zur Charakterbildung und zum Erwerb von Sozialkompetenz ist sie eher ein schlechtes Mittel, zumal in der aktuellen Form mit Gleichaltrigenorientierung, Gruppenzwangdynamiken, Vermassung und amtlich vorgeschriebenen Lehrplänen. Wie im wirklichen Leben auch, ist es kein Wunder, daß diese Planwirtschaft nur mit Mühe überhaupt noch Teilerfolge zeitigen kann. Bildung braucht Freiheit und nicht durch Schulpflicht und Schulzwang aufoktroyierte Zwangsgemeinschaften. Staatliche Monopolisierung hat noch nie gute Früchte getragen, und dies ist im Bildungs- und Qualifikationswesen nicht anders. Und das vielleicht wichtigste: Die Zeit, die eine Schülerin und ein Schüler in der Schule zubringen muß, fehlt ja für Eigeninitiative.
Das Leben ist hart und Schule muß wehtun!
Viele Eltern und Lehrer denken, daß Schule weh tun muß, weil Sie auf das Leben der „Erwachsenen“ vorbereiten soll, welches eben hart sei. Eine schöne Welt- und Menschensicht ist das. Wer sein Leben lang immer durch irgend etwas „durch“ muß, lebt im Tunnel. Das kann es nicht sein – und das ist es auch nicht. Wir haben grandiose technische Entwicklungen, ein gutes Verständnis von Natur, Raum und Zeit: die Menschen können so gut leben wie vielleicht nie zu vor. Sie sind so frei in vielen Dingen – doch macht unser Schulsystem eben nicht erwachsen, sondern untertan. Früher dem Kaiser, heute dem Volk und seinen Vertretern.
Wir wissen heute als gesicherte Erkenntnis: Selbstbestimmte Menschen sind glücklichere und erfolgreichere Menschen. Die Grundvoraussetzung dafür ist, sich frei bilden zu können, und nicht gewaltsam gebildet zu werden, womöglich sogar bis in die letzten Daseinsregungen hinein. Ein – ohnehin staatlich-monopolisiertes – Bildungswesen, welches nur als Schulsystem besteht und andere Bildungsarten- und -formen ausschließt, ist eben hochproblematisch. Wenn dann noch der Anspruch besteht, über die bloße Wissensvermittlung hinaus, den ganzen Menschen (und zwar alle!) zu prägen und zu bilden – wie auch immer – sind wir mitten im Totalitarismus, auch wenn wir uns zehnmal als Demokraten verstehen und es noch so gut meinen.
Man lernt immer, aber Bildung ist mehr als Lernen.
Bildung sollte ein freies Produkt sein, kein staatlich monopolisiertes und amtlich verwaltetes. Kein Mensch ist heute mit einem Trabant zufrieden, den staatlich-monopolisierte Planwirtschaft gebar: jeder bevorzugt die marktwirtschaftlich gewordenen Automobile. Nun ist Bildung kein konsumierbares Produkt (Wissen und professionelle Wissensvermittlung schon), aber gerade darum braucht ein Sich-bilden-können Freiheit und nicht Vorschrift. Es braucht vielfältige Angebote für unterschiedliche Menschen, Schule ist nicht genug – und nicht einmal das beste – und für manche sogar ganz schlecht. Wir brauchen also weniger neue Schulen, sondern auch Alternativen zu Schule. Wir leben im 21. Jahrhundert, nicht Drill wie früher, sondern Befähigung zu Dienstleistungen sind heute gefragt. Nicht Fließband und Soldatentum sind für unsere Gesellschaft so wichtig wie seinerzeit, sondern Intelligenz, Gestaltungsfähigkeit, Erfindungsreichtum und Kundenorientierung. Wir können nicht mit der Methode Schule, und sei sie vor hundert Jahren noch so erfolgreich gewesen, die Probleme unserer heutigen postmodernen Zeit angehen. Wir müssen scheitern und wir sind dabei zu scheitern.
Blick über die Grenzen und Ausblick:
Menschen in anderen Ländern haben dies bereits erkannt und entstaatlichen und entbürokratisieren ihr Bildungswesen: Sogar schulloses Lernen funktioniert – erstaunlicherweise in bildungsfernen Elternhäusern überdurchschnittlich gut.
Wir können ja nichts dafür, wir wurden ja selbst so beschult, daß uns die neuen Ideen fehlen. Aber wir können es uns als Gesellschaft nicht länger leisten, weiter so zu tun, als könnten wir mit ein bißchen reformieren hier und ein bißchen verändern dort, weiterkommen. Der Wanderer, der an einen Fluß kommt, muß ein Boot nehmen – es reicht nicht, die Stiefel fester zu schnüren. Es geht hierbei aber auch nicht nur um die Gesellschaft, sondern um die fundamentalen Rechte eines jeden Einzelnen, ein ihm gemäßes, ein gerechtes Leben zu führen. Der Mensch ist ein soziales Wesen, aber dieses Angewiesensein auf andere, kann positiv gestaltet werden oder in Herrschaft ausarten und Unrecht werden. Das Volk hat keinen Anspruch darauf, daß der Einzelne von Amts so gebildet wird, wie es die meisten für richtig halten. Gott sei Dank funktioniert das ja auch nicht so. Dort, wo es Menschen schaffen, diese Gesinnung abzustreifen, wo der Einzelne wieder Raum hat für sein Dasein und sein Sosein, da bilden sich auch wieder nutzbringende und fröhliche Gemeinschaften, da verlassen wir den Tunnel und werden erwachsen.
Erstveröffentlichum am 27.08.2007: Über Schule hinaus denken.
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